Von Ulrich Alexander Boschwitz
Die
Ausgrabung dieses beeindruckenden Romans im Frühjahr 2018 war eine
kleine Sensation: 1938 erzählt der junge Berliner Autor Ulrich
Alexander Boschwitz – der von Auschwitz noch nicht wissen konnte – im
Alter von 23 Jahren erschütternd hellsichtig die Leidensgeschichte des
jüdischen Kaufmanns Otto Silbermann, der durch die
nationalsozialistischen Novemberpogrome sein Zuhause, seine Familie und
schließlich seine Identität verliert.
Der
Geschäftsmann Otto Silbermann steht mitten in einem wohl geordneten
Leben mit erfolgreichem Geschäft und einem Kreis von vertrauten
Freunden und Bekannten. Da schlägt in Deutschland der Antisemitismus in
brutale Hetze um. Es werde schon nicht so schlimm kommen, hofft
Silbermann, noch während er sich in seiner eigenen Wohnung überfallen
und von körperlicher Gewalt bedroht sieht. Für ihn beginnt damit eine
Flucht-Odyssee durch Deutschland, in der er schmerzhaft erfahren muss,
wie Geschäftspartner und Freunde, auf deren Menschlichkeit er baute,
ihn verraten. In Zügen der Reichsbahn durchquert er Deutschland in der
Hoffnung einen Fluchtweg zu finden – doch die Grenzen sind bereits
geschlossen und in den Nachbarstaaten ist niemand bereit die jüdischen
Flüchtlinge aufzunehmen.
Der
deutsch-jüdische Autor, der im April 1915 in Berlin geboren wurde, mit
seiner Mutter am Hohenzollerndamm wohnte und nach seiner eigenen
Odyssee 1942 im Alter von 27 Jahren mit einem Flüchtlingsschiff im Meer
unterging, zeichnet das beklemmende Bild einer Gesellschaft, die sich
in rasender Geschwindigkeit ihrer Mitmenschlichkeit entledigt. Er
beobachtet die Gleichgültigkeit der Masse, das Mitleid einiger Weniger.
Und auch die eigene Angst. Und er beschreibt eindringlich die
demütigenden Erfahrungen von Flucht und Vertreibung.
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PresseMärz 2025 am Kleinen Theater Berlin
Mirko Böttcher /
Flavia Schwedler /